"Vater unser, der
du bist im Himmel..." "Ja?"
"Unterbricht mich nicht, ich bete."
"Aber
du hast mich doch angesprochen!" "Ich
dich angesprochen? äh... nein, eigentlich nicht.
Das beten wir eben so: Vater unser, der du bist im Himmel."
"Da, schon wieder! Du rufst
mich an, um ein Gespräch zu beginnen, oder? Also,
worum geht‘s" "Geheiligt werde dein
Name..." "Meinst du das ernst?"
"Was soll ich ernst meinen?"
"Ob du meinen Namen wirklich
heiligen willst. Was bedeutet das denn?"
"Es
bedeutet... es bedeutet... meine Güte, ich weiß
nicht, was es bedeutet! Woher soll ich das wissen?"
"Es heißt, dass du mich
ehren willst, dass ich dir einzigartig wichtig bin,
dass dir mein Name wertvoll ist." "Aha.
Hm. Ja, das verstehe ich. Dein Reich komme, dein Wille
geschehe wie im Himmel also auch auf Erden..."
"Tust du was dafür?"
"Dass dein Wille geschieht?
Natürlich! Ich gehe regelmäßig zum Gottesdienst,
ich zahle Kirchensteuer!” "Ich will mehr: dass
dein Leben in Ordnung kommt, dass deine Angewohnheiten,
mit denen du anderen auf die Nerven gehst, verschwinden;
dass du von anderen her und für andere denken lernst;
dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis
der Wahrheit kommen, auch dein Vermieter und dein
Chef. Ich will, dass Kranke geheilt, Hungernde gespeist,
Trauernde getröstet und Gefangene befreit werden;
denn alles, was du diesen Leuten tust, tust du doch
für mich." "Warum
hältst du das ausgerechnet mir vor? Was meinst
du, wie viele stinkreiche Heuchler in den Kirchen
sitzen. Schau die doch an!" "Entschuldige!
Ich dachte, du betest wirklich darum, dass mein Wille
geschieht. Das fängt nämlich ganz persönlich
bei dem an, der darum bittet. Erst wenn du dasselbe
willst wie ich, kannst du ein göttlicher Botschafter
sein." "Das leuchtet mir
ein. Kann ich jetzt mal weiterbeten? Unser tägliches
Brot gib uns heute..." "Du
hast Übergewicht, Mann! Deine Bitte beinhaltet
die Verpflichtung, etwas dafür zu tun, dass die
Millionen Hungernden dieser Welt ihr tägliches
Brot bekommen." "Und
vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren
Schuldigern..." "Und Heinz?"
"Heinz? Jetzt fang auch
noch von dem an! Du weißt doch, dass er mich öffentlich
blamiert hat, dass er mir jedes Mal dermaßen arrogant
gegenübertritt, dass ich schon wütend bin,
bevor er seine herablassenden Bemerkungen äußert.
Und das weiß er auch! Er nimmt mich als Mitarbeiter
nicht ernst, er tanzt mir auf dem Kopf herum, dieser
Typ..." "Ich weiß, ich
weiß. Und dein Gebet?" "Ich
meinte es nicht so." "Du
bist wenigstens ehrlich. Macht dir das eigentlich Spaß,
mit soviel Bitterkeit und Abneigung im Bauch herumzulaufen?"
"Es macht mich krank!"
"Ich will dich heilen. Vergib
Heinz, und ich vergebe dir. Dann gehört Arroganz
und Hass Heinz und nicht dir. Vielleicht verlierst du
Geld; ganz sicher verlierst du ein Stück Image,
aber es wird dir Frieden ins Herz bringen."
"Hm. Ich weiß nicht, ob ich mich dazu überwinden
kann." "Ich helfe dir dabei."
"Und führe uns nicht in
Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen..."
"Nichts lieber als das! Meide
bitte Personen oder Situationen, durch die du versucht
wirst." "Wie meinst du das?"
"Du kennst doch deine schwachen
Punkte. Unverbindlichkeit, Finanzverhalten, Sexualität,
Aggression, Erziehung. Gib dem Versucher keine Chancen!"
"Ich glaube, dies ist das schwierigste
Vaterunser, das ich je betete. Aber es hat zum ersten
Mal etwas mit meinem alltäglichen Leben zu
tun." "Schön! Wir kommen
vorwärts. Bete ruhig zu Ende." "Denn
dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen." "Weißt du, was
ich herrlich finde? Wenn Menschen wie du anfangen, mich
ernst zu nehmen, echt zu beten; wenn sie merken, dass
ihr Wirken für das *Göttliche* sie letztlich
SELBST glücklich macht."
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